Im Südlichen Brasilien: 16.09. - 13.10.2015

 

Reiseroute: Jaguarao – Santa Isabel do Sul – Rio Grande – NP da Lagoa de Peixe – Osorio – Gramado – Canela – Cambara do Sul – Santa Maria – Florianopolis – Blumenau – Pomerode – SC 477 Papanduva – Canoinhas – Uniao da Victoria – Porto Vitoria – Foz do Areia – Pinhao – Mangueirinha – Sao Joao – Santa Isabel do Oeste – Sao Luis – Santa Tereza do Oeste – Foz do Iguacu

Gefahrene Strecke: 2483 km

 

Die erste Nacht in Brasilien verbringen wir etwas unruhig auf dem schwach beleuchteten Dorfplatz bei der Kirche von Santa Isabel do Sul. Irgendwie können wir die Sicherheitslage noch nicht so ganz einordnen. Von Kriminalität und Überfällen in Brasilien warnt man zu Hause ja immerfort. Aber die netten, freundlichen Damen die uns bei der Ankunft herzlich begrüssen, lassen uns auf eine gute Nacht hoffen. Zwei dunkle Gestalten an die Kirchenwand gelehnt, beobachten uns. Wahrscheinlich sind sie nur neugierig, was für zwei Fremde sich in diese Gegend verirrt haben. Benno überlegt kurz wieder abzuhauen, aber es ist später Abend, dunkel und fahren in der Nacht ist keine Option. Zumal wir gar nicht wissen, ob die Strasse nun weiterführt oder wir über die unbeleuchtete Schlammpiste wieder zurück müssen. Der Ort ist so klein, dass keine Gefahr besteht und zudem wacht ja die heilige Santa Isabel über uns!

Schon früh kräht der Hahn und langsam wird es hell. Soeben kurvt der Schulbus um die Ecke. Er bringt die Schüler aus der näheren und weiteren Umgebung nach Santa Isabel zur Schule. Der Chauffeur schaut neugierig aus dem Fenster und parkiert den Schulbus gleich neben uns. Wir sind noch beim Morgen-Kaffee, als die netten Damen vom Vorabend und der Schulbuschauffeur uns fröhlich mit einem bom dia begrüssen. Neugierig schauen sie in unsere Stube. Wir machen eine kleine Führung durch unser Duro-Appartement. Die Damen interessieren sich mehr für Küche und Bad, der Schulbuschauffeur mehr für die motorische Technik.

In Brasilien spricht man portugiesisch, welches wir ja ausnahmslos fast gar nicht sprechen. Trotzdem verstehen wir uns und es entwickelt sich eine lustige Unterhaltung. Schon bald merken wir, dass hier die Sicherheitslage gut ist und kein Anlass zu Sorge besteht. Die Damen zeigen uns mit sichtlichem Stolz das Innere der Kirche von Santa Isabel do Sul welche sie liebevoll hegen und pflegen.

 

Wir wollen weiter nach Sarandi (an der Küste) und von dort nach Rio Grande. Auf die Frage nach dem Weg zeigen die Bewohner in die Richtung aus welcher wir gestern gekommen sind, also links. Nach rechts geht’s nur zum Kanal meinen sie, aber dort fängt man sooo grosse Fische. Na ja, denken wir, dann schaun wir uns doch mal die soo grossen Fische an und erleben die Überraschung des Tages! Eine kleine Balsa ermöglicht die Weiterfahrt und bringt uns über den Kanal. Die Bestellung der Fahrt ist einfach und erfolgt mittels Lichthupe oder Hupe und schon schwimmt die Balsa in unsere Richtung und wir können verladen.

 

Ruck, zuck und weiter geht’s durch ein wunderbares Naturparadies. Der viele Regen der letzten Tage hat die Ebenen rechts und links der erdigen Dammpiste in saftig grüne schwimmende Rasen- und Pflanzenteppiche verwandelt. Die Sicht aus unseren Duro ist einmalig, wir sitzen sozusagen in der ersten Reihe: Pferde, Wasservögel, Adler, Maguari-Störche, kleine piepsende Küken mit aufmerksamen Eltern, alle naschen sie von den Köstlichkeiten der Natur. Immer wieder halten wir an, einfach mitten auf der Piste, es kommt ja sowieso keiner! Wir können uns nicht satt sehen an dieser für uns prachtvollen Welt. Brasilien begeistert uns schon jetzt!

 

Wir erreichen Rio Grande am späten Nachmittag. Ein riesiges Hafengebiet. Es dampft, zischt und raucht aus Schornsteinen, runden Behältern und Gebäuden! Diverse Körner- und Mehl-Spuren auf der Strasse lassen uns die Ladung der riesigen LKWs erahnen. Zahlreiche mit Planen gedeckte Lastwagen, schwerbeladen mit Reis, Mais oder Soja liefern Ihre Fracht in riesigen Hallen an, wo wiederum umgeladen oder auf grosse Schiffe verladen wird. Die Strasse ist hier zu Ende und gerade noch rechtzeitig ergattern wir uns einen Platz auf der letzten Balsa des Tages, welche uns über die grosse Lagune auf die andere Seite bringt. Benno hat heute Geburtstag und so erreichen uns während der Balsa-Fahrt, SMS, Watsup und sogar telefonische Glückwünsche aus Davos. Wir freuen uns sehr darüber. In dem kleinen Ort Sao Jose do Norte decken wir uns mit frischen Lebensmitteln für die kommenden Tage und für ein kleines, einfaches Geburtstagsessen ein. Dieses geniessen wir bei einem Glase Wein ganz idyllisch etwas abseits der Strasse in einer Lärchenwaldlichtung vor einer Sanddüne. Der Lärchenwald ist angepflanzt und die Bäume stehen in Reih und Glied. Es ist das Harz der Lärchenbäume, welches gewonnen wird. Kleine Plastiksäckchen am Stamm befestigt, fangen den klebrigen Saft auf und werden später in grossen runden Metallbehältern abtransportiert.

 

Routenplanung: Jeweils am Abend oder spätestens bevor wir losfahren, planen und besprechen wir die ausgewählte Route mit dem möglichen Tagesziel. Wir konsultieren sowohl die Landkarten von Reise Know How als auch die auf unser GPS geladene Karte von Open Street Map (OSM). Immer wieder sind wir erstaunt, dass selbst kleinste Strassen auf unserem Garmin-GPS ersichtlich sind und uns so bestens den Weg weisen. Alles ist einfach zu bedienen und Ziele können als Ortsangabe, Koordinaten-Punkt oder direkt auf dem GPS-Bildschirm mit Touchpad erfasst werden. So macht Reisen und Navigieren Spass. An dieser Stelle herzlichsten Dank an Peter für die hilfreichen Installationen und Instruktionen an die Navigatorin.

 

Die Erdpiste verwandelt sich mehr und mehr in eine löchrige Teerstrasse. Man könnte meinen Duro oder Fahrer haben zu tief ins Glas geschaut. Im Zickzack-Kurs umfahren sie die grossen, tiefen Löcher der 146 km-langen Lagunenstrasse, welche uns zwischen Atlantischem Meer und der Lagune dos Patos nordwärts bringt. Gut hat es wenig Verkehr! Die LKW-Fahrer mit ihren langen Trailern fahren rücksichtsvoll, winken uns fröhlich zu und grüssen mit Daumen nach oben, was so viel wie tuto bem (alles gut) auf Portugiesisch heisst.

 

Vor Dorfeinfahrten, Schulhäusern und sonstigen Orten künden gelbe Tafeln ein „lomo de burro“ an. Es wird hier nicht etwa Rindsfilet angepriesen, nein es sind die beliebten, zahlreichen gelbbemalten hohen Betonwellen auf der Strasse, die den Verkehrsfluss bremsen und sowohl Fahrer und Auto zu einer weniger rassanten Durchfahrt zwingen. Es ist also immer wieder Aufmerksamkeit gefragt, will man keine Schäden riskieren!

Der viele Regen der letzten Tage hat nicht nur unseren Duro in einen „Schmutzfink“ verwandelt, auch die  Strassen und Felder sehen entsprechend aus. Es ist nass, neblig und überall steht das Wasser knietief, sowohl in den Lagunen wie auch in den Wiesen. Trotzdem ist es angenehm war. Auf riesigen Feldern wird Reis angepflanzt. Beste Voraussetzungen hier im Süden Brasiliens. Unterteilt und abgetrennt durch kleine Erdwälle, bewässert und geflutet mit einem einfachen, aber ausgeklügelten System. Die Traktore sehen aus wie riesige Ungetüme mit grossen Metallrädern ohne Pneus.  Es sieht für uns spektakulär und ungewohnt aus; hoffentlich bleibt das Ungetüm nicht stecken!!

 

Vorerst haben wir genug von Lagunen-Landschaften, es lockt uns in die Berge. Nördlich von Porto Alegre liegt die Sierra Gaucha, das Hochland des Departements Rio Grande do Sul. Ein landschaftlich reizvolles Ziel, wie in unserem Reiseführer zu lesen ist. Dort wollen wir hin:

Grün, saftig und leicht hügelig, mal rauf, mal runter verläuft die gut ausgebaute kurvenreiche Passtrasse ins Landesinnere. Nach und nach gelangen wir in das auf 815 Meter gelegene Gramado, dem St.Moritz und Winterurlaubsziel von Brasilien. Es liegt nicht oft Schnee hier. Aber wenn, dann sei es eine Sensation. Die Betuchten aus Sao Paulo oder Rio zögern dann nicht, den erstbesten Flieger nach Porto Alegre zu nehmen, um von dort möglichst schnell in die noble Stadt zu düsen. Einerseits  um Schnee zu sehen und insbesondere sich einmal in Schal, Winterjacke oder Pelzmantel zu präsentieren!

Riesengrosse Werbeplakate entlang den fast schon tropischen Wälder preisen daher seit einigen Kilometern diverse Köstlichkeiten und Amüsements an: Schokoladenfabriken, Fondue-Restaurants, Vergnügungsparks mit Schneemann und Schneefallambiente, eine Miniaturwelt im Schwarzwald-Design, pikfeine Hotels im Holz-Chaletstyle, gehobene Restaurants und einladende Kleider-Boutiquen. Wir fragen uns ob wir hier richtig sind und machen einen kurzen Stopp! Ein nachfolgendes Auto hält ebenfalls und erkundigt sich bei uns woher wir sind und wohin wir möchten. Sie denken wir finden den Weg nicht und begleiten uns 15 km bis zur Abzweigung. Falls wir Probleme hätten, sollen wir uns ungeniert melden. Es werden noch kurz die Visitenkarten getauscht und schon sind sie wieder weg, in die andere Richtung.

Die Brasilianer erfahren wir als unglaublich fröhliche, aufgestellte, spontane, hilfsbereite und kommunikative Menschen. Neugierig aber überhaupt nicht aufdringlich kommen sie auf uns zu und erleichtern uns so die Kontaktaufnahme und das Kennenlernen ungemein. Ihre Fröhlichkeit ist einfach ansteckend und so sind wir ebenfalls richtig aufgestellt, happy und immer „gut drauf“.

Wir logieren uns etwas ausserhalb von Gramado auf dem Campingplatz der brasilianischen Dauercamper ein und geniessen wieder einmal die Annehmlichkeiten einer heissen Dusche. Dank einer gut funktionierenden Internetverbindung (Wifi) können wir wieder einmal Radio SRF1 hören, die AZ lesen, uns über News und Geschehnisse in der Welt und zu Hause informieren, Finanz- und Börsenkurse checken, E-Mail und Watsup-Nachrichten versenden sowie uns über Skype mit Papi und Jarush in Ton und Bild unterhalten. Schon toll, was die heutige Zeit für Möglichkeiten bietet. Wie war das noch vor 30 Jahren? als wir als Backpackers mit dem Rucksack reisten und die einzige Möglichkeit Nachrichten zu erhalten, der Weg zum GPO-Post Office war, wo wir jeweils die uns zugesandten postlagernden Briefe in Empfang nehmen konnten, welche bereits vor 1 Monat geschrieben und versandt wurden! Ja, die Zeiten haben sich geändert, super diese TechnikJ

 

Ein ungewohntes Geräusch hoch oben auf dem Baum erweckt am nächsten Tag meine Aufmerksamkeit. Meine Freude ist gross als ich den für mich ersten Tucan in frei lebender Natur erblicke. Mit keckem Blick schaut er nach unten und beäugt mich aus seinen blau umrandeten Augen. Gekonnt pflegt er mit seinem überdimensionierten Schnabel sein schönes Federkleid. Nebenan über den Rasen stolzieren grosse, grau-beige, langbeinige Vögel und suchen nach Regenwürmern.

 

Überhaupt, in diesem Brasilien scheint alles etwas grösser zu sein! Die LKW-Trailer messen teilweise bis zu 30 Meter und Räder zählt man bis zu deren 32 Stück. Wohnmobile sind riesig grosse Ungetüme natürlich mit Aircondition und Erker. Selbst Kreisel und Strassenführungen sowohl ausserhalb wie innerhalb von Dörfer und Städten sind grosszügig geplant. Dörfer die auf unserer Karte so gross „wie en Gofechnopf“ sind, zählen schnell mal 30‘000 Einwohner!

 

Gramado ist wirklich so schick wie auf den Plakaten angepriesen. Deutsche und italienische Einwanderer haben die Stadt und deren Umgebung geprägt. Bei unserer Erkundungstour entdecken wir daher eine grosse Kuckucksuhr wie aus dem Schwarzwald, Fritz-Bier vom Fass, feine Schokoladevariationen welche der Schweizer Schoggi ebenbürdig sind, ein grosser Käse-Fonduetopf, das Restaurant Swiss Cottage, ein drehbarer Kreiselschmuck  und eine kurvenreiche blumengeschmückte Strasse, ähnlich jener in Californien. Ein kleiner Supermercado in der Nähe unseres Campingplatzes hat sogar alles Wichtige was unser Herz, bzw. unser Magen begehrt. Insbesondere ein feines Filet Mignon für CHF 10.00 das Kilo lässt uns nicht lange zögern, was heute Abend auf unserem Menuplan steht.

 

 

Bei lüpfiger Musik aus dem Radio, die wie Schlagermusik aus dem Musikantenstadel auf brasilianisch tönt, zaubert die Küchenfee ein selbstgebackenes Brot nach Rezept vom Papa, Kartoffeln an Currylauchrahmsauce, Rüebli und das Filet Mignon medium gebraten aus der Bordküche. Abgerundet mit einem feinen Cabernet Sauvignon ein Gedicht und einfach nur lecker!!

 

 

Seit Uruguay haben wir keine Reisenden mehr wie wir es sind getroffen. Umso grösser ist unsere Freude als am Morgen gleich 2 Overlander auf dem Campingplatz eintreffen. Ein junges brasilianisches Pärchen aus Blumenau und ein Ehepaar mit Sohn aus Colorado/USA. Beide seit mehr als 2 Jahren in Südamerika unterwegs. Angeregt tauschen wir Neuigkeiten, Tipps und Adressen untereinander aus.

 

Am nächsten Tag verlassen wir die von europäischen Einwanderern geprägte Gegend. Auf dem Weg Richtung Osten erweckt die grosse, stattliche Kirche in Canela unsere Aufmerksamkeit. Ihre Architektur und die kunstvoll farbig gestalteten Glasfenster locken uns ins Innere der Kathedrale. Nicht nur die Einheimischen beten und danken für ein gesundes und friedliches Leben auch wir nutzen die Gelegenheit und erbeten uns eine sichere und unfallfreie Weiterfahrt mit schönen Begegnungen. Unsere zwei Kerzen sollen auch die Daheimgebliebenen beschützen und behüten.

 

Die Rota Sinfonia da Natureza macht ihrem Namen alle Ehre. Ein artenreicher Baumbestand ziert die Gegend. Gefallen finden wir insbesondere an den schönen Aurakarienbäumen, welche doch noch in einer Vielzahl hier vorkommen. Doch wie lange noch? Die Abholzung von Bäumen findet auch hier in grossem Masse statt! Eine schmale ungeteerte Erdpiste bringt uns nach Cambara do Sul. Die Sonne, als glutroter runder Ball sichtbar, versinkt bereits am Horizont und erinnert uns daran, einen Nachtplatz zu suchen. Die Häuser werden immer spärlicher und der Verkehr auf der Piste ist ebenfalls gering. So fragen wir bei einem Bauern, ob wir uns für eine Nacht auf die Wiese nebenan stellen dürfen. Er freut sich über unseren Besuch und bietet uns sogar die Nutzung seines Badezimmers an. Der Wiesenplatz ist ruhig, sicher, an einem kleinen Bächlein gelegen und wunderbar passend für uns.

 

Ein grossartiges Naturschauspiel bietet der Parque Nacional de Aparados da Serra. Hauptattraktion sind die bis zu 720 Meter tiefen Schluchten des Canion do Itaimbezinho inmitten einer subtropischen Vegetation. Mehrere Wasserfälle stürzen sich an der 7 km langen Strecke des Canyons in die Tiefe. Ein kleiner Wanderweg oberhalb des Canyons eröffnet uns immer wieder Ausblicke in die nasse Gischt. Grosse Farne entfalten langsam ihre zusammengerollten hellgrün-weisslich filigranen Blätter. Auf einer ruppigen Piste geht’s von über 1000 Meter runter auf Meereshöhe an die Küste Brasiliens. Es ist feucht-heiss warm und die aufsteigenden Nebelschwaden versprühen ab und zu einige Wassertropfen bevor sie verdampfen. Die grossen grünen Blätter mit ihren stacheligen Stengeln könnten fast als Regenschirme benutzt werden!

 

In Santa Marta do Farol steht einer der ältesten Leuchttürme Brasiliens Küste. Sein Signal soll bis weit hinaus auf dem Meer sichtbar sein und sowohl den Ozeanriesen und den Fischerboten Sicherheit bieten. Der kleine, scharmante Ort, im Sommer das Mekka der Surfer, ist bei unserem Besuch noch ruhig und beschaulich. Eine fürchterliche Ruppelpiste führt in den Ort, gesäumt von einem langen hellbeigen Sandstrand und schönen hohen Sanddünen rechterhand. Eine junge blonde Brasilianerin, die gut Englisch spricht, führt den kleinen aber gut und sauber ausgestatteten Camping Cardoso, wo wir für eine Nacht logieren.

 

Die Bevölkerung lebt vom Fischfang und einem sanften Tourismus. Kunstvoll bemalte Häuser zieren das Bild des Städtchens und in kleinen Restaurants kocht noch die Mama selbst ein feines Tagesmenu, serviert durch eines der Familienmitglieder. Da lassen auch wir uns gerne einmal verwöhnen. Eine Bewohnerin macht mich draussen auf dem Meer auf einen kleineren Wal aufmerksam. Es ist jedoch nur noch die aus dem Meer ragende Schwanzflosse zu erblicken.

Die Fischerboote bringen am nächsten Morgen reichlich Fisch vom nächtlichen Fang rein. Mit Autos werden die Boote an Land gezogen. Dazu unterlegen die Fischer Holzkeile und man hilft sich gegenseitig. Angezogen durch die grosse Ausbeute erhaschen auch die Möven ab und zu einen Leckerbissen. Das ist ein stimmungsvolles Schauspiel sondergleichen.

 

Walbeobachtung kostenlos: Von Juni bis November ziehen die Südkaper aus den Gewässern der Antarktis in das wärmere Meer vor die Küste von Santa Catarina. Hier gebären und säugen die Walkühe ihre Jungen. Das atemberaubende Schauspiel kann man von einem Aussichtspunkt an der Südspitze der Insel Ilha Santa Maria aus beobachten. Mit ein Grund für uns an der Küste hoch bis nach Floreonapolis und über die Brücke an die Ostküste der Insel zu fahren. Leider haben wir kein Glück. Noch während wir auf dem Parkplatz stehen und aufs Meer raus schauen, spricht uns ein junger Mann auf Züridütsch an. Michi lebt schon seit ein paar Jahren auf der Insel und weiss zu berichten, dass das Ereignis wohl bereits im Juli stattgefunden hat. Die majestätischen Meeressäuger kommen jedes Jahr bis zu 100 Meter an den Strand heran. Früher wurde an dieser Bucht sogar noch Walfang betrieben!

 

Wir haben auf Ilha Santa Maria kein Wetterglück, es regnet schon den ganzen Tag. Sogar die Strände und das Meer sehen farblos und ein wenig düster aus. Nur ein paar wenige Surfer suchen in den Wellen nach dem grossen Ritt. Den karibikähnlichen weissen Sandstrand mit dem türkisfarbigen Meer, der hier so sensationell und einzigartig sei, müssen wir uns vorerst wohl auf der Postkarte und den zahlreichen Werbeplakaten ansehen.

Ein etwas unscheinbarer Fischladen an der Dorfstrasse hat unser Interesse erweckt, denn er ist gut besucht von Einheimischen. Die grosse und vielfältige Auslage im Innern überrascht uns und wir können nicht wiederstehen. In den nächsten 3 Tagen steht Fisch in diversen Variationen auf unserem Menuplan. Nur um die Fischesser ein wenig gluschtig zu machen, was unsere Küche so im Angebot hat: Fischragout mit Curry-Kokos-Gemüse und Reis; Lachs nach Art von Betty Bossi, saftig gegart im Ofen mit Kräutern, Tomaten, geschnittenen Oliven in Weisswein/Bouillon (funktioniert also auch in unserem Gasbachofen bestens und ist eine Rezept-Empfehlung von Monica); Fischfilet gebraten nach Art des Hauses mit Sauercream Kartoffeln und Cesar-Salat. à Reservationen nehmen wir gerne nach Voranmeldung entgegen, hahaha!!!!

 

Wir verlassen die Küstengegend und reisen ins „Hinterland“ ins Vale Europeu. Für viele Brasilianer ist eine Reise dorthin wie ein Abstecher nach Europa. Inmitten einer romantischen Mittelgebirgslandschaft liegen zahlreiche Siedlungen europäischer Einwanderer. Hier wird die Geschichte deutscher Einwanderer, derer Traditionen und Bräuche bis heute gelebt.  Wirtschaftliches, touristisches und kulturelles Zentrum ist Blumenau im Tal des Rio Itajai.

 

Auf dem Weg dorthin, fallen uns die zahlreichen Dessous- und Bikiniläden auf. Es ist nicht so, dass sich die Damen in dieser Gegend ausserordentlich gerne in feine Unterwäsche kleiden. Nein, die zarte und farbenfrohe Wäsche wird hier hergestellt!

Kaum fahren wir in Blumenaus Strassen ein, fragen uns noch wo’s lang geht, wo’s eine Übernachtungsmöglichkeit gibt und welche Attraktionen die Stadt bietet, hält vor uns ein Auto.

„Hallo, schönen guten Tag, wie geht’s euch und herzlich willkommen in Blumenau“. So tönt es in sehr gutem Hochdeutsch. Es ist Fred Ulrich vom deutschen Rundfunk-Sender, dessen geübtes Auge uns bereits seit längerem entdeckt hat und eine spannende Story für sein Radio wittert. Er rät uns anstelle des Campingplatzes (es soll dort letzthin eine schlimme Schiesserei gegeben haben) auf dem Parkplatz direkt vor der Vila Germanica, dem Oktoberfestgelände zu parken und zu nächtigen. Dieser ist gut bewacht durch Security und erst noch kostenlos. Da wir nicht unbedingt den morgigen Tag im Studio des Radiosenders verbringen wollen, macht Fred das Interview gleich hier an Ort und Stelle. Ob es jemals gesendet wurde, entzieht sich unserer Kenntnis. Nicht’s desto trotz, haben wir einen interessanten, unterhaltsamen und tollen Nachmittag mit Fred Ulrich bei mehr als einem Bier verbracht. Wir haben uns gegenseitig unsere Geschichten, Ansichten und Lebensweisheiten näher gebracht. Festgestellt, dass die vor 200 Jahren Ausgewanderten und dessen Generationen, wie auch er, die deutschen Traditionen in Brasilien stärker leben als die Deutschen zu Hause.

So erstaunt es uns nicht, dass es neben Schützenvereinen, monatlichen Stammtischen, deutschen Folkloregruppen auch blonde, blauäugige Schönheiten gibt, die in hübscher Dirndeltracht durch die Gassen schlendern.

Jedes Jahr findet in Blumenau das Oktoberfest statt – nach München das zweitgrösste der Welt. Zusammen mit Fred machen wir einen Rundgang durch den Parque Vila Germanica. Ein 40‘000 m2 grosses Messegelände mit drei modernen Veranstaltungshallen, inmitten der in Beton gegossenen Version eines mittelalterlichen deutschen Städtchens. Mit Fachwerk und Erkern verzierte Kneipen, Restaurants, Souvenierläden und Biershops sind da zu finden. Es ist Anfangs Oktober; in rund 10 Tagen wird „ozapft“. Ausserhalb den Hallen werden im Münchner Stiel Buden, Stände, Zelte und sogar 3 neue Postomaten (sorry es waren Bankomaten) aufgestellt. Auch innerhalb den Hallen herrscht rege Bautätigkeit. Wir sprechen mit einer Familie, die den Auftrag erhalten hat die grossen, runden und 500 kg schweren Kränze, welche an der Decke hängen mit Blätterschmuck und Blumen zu schmücken. Wir werden dann nicht mehr hier sein, „wenn der Bär tanzt“, das Bier in Strömen fliesst, deutsche (eingeflogene) Blasmusikkapellen einmarschieren und junge, brasilianische Musiker Stimmung machen. Bei den erwarteten 500‘000 Besuchern werden wir zwei fehlen! Schade!

 

 

In Pomerode, einem weiteren deutschen Städtchen lernen wir den Ehemann von Waltraud kennen. Er ist bereits über 70 Jahre alt, noch sehr rüstig und spricht uns vor dem Supermarkt in einem breiten Plattdeutsch an.  Eine lustige Sprache; mit einzelnen Wörtern bei denen wir nur „Bahnhof“ verstehen. Wilfried ist begeistert von unserem auffallenden Duro und sehr interessiert sowohl an der Technik wie auch am Innenausbau. Dies möchte er unbedingt seiner Frau zeigen, ob wir schon auf dem pomeroder Hausberg waren, und ob wir etwas Zeit hätten? Ja, wir haben viel Zeit und so kommt es, dass wir mit Wilfried und seiner Tochter, die übrigens auch schon 48 Jahre alt ist, einen Ausflug unternehmen. Die Fahrt auf den Hausberg durch Wald und entlang blühender Wiesen ist staubig, kurvig und sehr steil, aber wunderschön. Unterwegs nimmt Wilfried noch 2 Paraglieder mit, er und sie sind sozusagen Kollegen. Hat er doch mit über 60 Jahren noch das Brevet fürs Paraglieden erlangt und diese Luftakrobatik bis vor kurzem auch praktiziert! Hut ab, wir sind baff. Oben angekommen erwartet uns eine grossartige Rundumsicht. Es hat ziemlich wenig Aufwind, sodass die beiden Paraglieder etwas gefordert sind die optimale Startposition zu erwischen. Desweitern kommen wir noch in den Genuss einer privaten Flugshow eines Falkners und dessen stolzen braunen Vogels.

 

Im Parque dos Eventos von Pomerode können wir kostenlos logieren. Es ist das Sport-, Freizeit- und Festgelände der Gemeinde, wo sowohl eine kleinere Ausgabe des Oktoberfestes wie auch andere Festivitäten abgehalten werden. Gut ausgestattet mit free Wifi, sanitären Anlagen, Wasser und Strom nutzen wir als einzige den grossen Platz hinter den Hallen. An einem sonnigen Morgen wie heute schmeckt uns das Frühstück und der feine Expresso besonders gut.  Aber was ist denn da draussen passiert? Vor unserer Haustüre liegen zwei kleine Kolibris reglos am Boden. Etwas erstaunt und überrascht ob deren „Absturz“ leisten wir erste Hilfe. Die kleinen Vögelchen sind ganz benommen und fast leblos. Sind die beiden in unsere Durowand geflogen, haben sie einen Schlag von der Stromleitung oberhalb erhalten oder sind einfach so vom Himmel gefallen? Wir wissen es nicht. Ganz behutsam nimmt Benno die Beiden auf. Noch immer reglos aber aus grossen Augen umherblickend fühlen sich die kleinen grün und violett schimmernden Mini-Vögelchen wohlbehütet in Bennos Händen und finden anscheinend Gefallen an dieser Genesungsvariante. Nach einer Weile setzen wir die Beiden auf einen Strauch. Ungewöhnlich lange können wir die beiden Kolibris noch beobachten, bevor sie mit einem für unsere Augen fast nicht sichtbar schnellen Flügelschlag abschwirren. Wir hoffen sie finden die saftig, süssen Nektarpflanzen auf ihrer Flugroute wieder. Eine schöne, unvergessliche Erinnerung, welche nicht nur in unserem Fotospeicher sondern vor allem in unserem Gedächtnis erhalten bleibt.

 

Unsere Weiterfahrt Richtung Westen führt uns mehr oder minder entlang des Iguacu-Rivers, eigentlich ein „Nebenfluss“ des Rio Parana von 1200 km Länge! Kurz bevor er in den Rio Parana mündet, donnert er mit unglaublicher Macht durchschnittlich 60 Meter in die Tiefe. Zu bewundern und zu bestaunen sind dort je nach Wasserstand die verschiedenen Fälle der weltbekannten und seit 1984/1986 zum UNESCO Weltkulturerbe erklärten Iguacu-Wasserfälle, sowohl auf der brasilianischen wie auch der argentinischen Seite. Aber mehr zu diesem tollen Wasserspektakel später in diesem Reiseerlebnis.

 

Die Grade am Thermometer steigen, je weiter westlich wir durch die Kornkammer Brasiliens fahren. Die grünen und gelben Ähren des Korns stehen bereits hoch und auch der Mais wartet auf eine baldige Ernte. Felder so unglaublich gross und weit bis an den Horizont. Meistens wählen wir eine Route etwas abseits der geteerten Strassen. Nicht immer kann man sich jedoch auf die in der Karte vermerkten „Ausstattung“ verlassen. So kann es passieren, eine in unserer Karte als Piste gekennzeichnete Strasse frisch geteert vorzufinden oder umgekehrt. Diesmal haben wir Glück und nur die Strommasten neben der Erdstrasse weisen auf eine irgendwann kommende Siedlung oder ein Dorf hin. Die Luft in unseren Reifen etwas reduzieren und schon gleitet unser Duro über die Piste wie eine Sänfte. Ebenso passend für uns finden wir den Namen der BR 280: Rua expedicionario Eugenio Alves de Almeida!

Schön öfters sind uns die runden, erdigen Kugeln auf den Strommasten oder Holzpfosten entlang der Strasse aufgefallen. Dies bedarf einer Inspektion unsererseits. Schon bald wissen wir, wer die „Kugeln“ bewirtschaften. Es ist die Behausung der braunen Vögel mit der leicht orangen Schwanzunterseite, deren Namen wir nicht kennen. Aufgebracht und laut zwitschernd machen sie ihrem Unmut auf unsere Annäherung kund. Die Bewunderung über die Bauweise der Zweizimmer-Behausung mit Doppelboden und zwei Eingangstüren ist ganz auf unserer Seite.

Die Themen der Landschafts-Szenarien und Naturwelten wechseln so vielfältig und ersetzen uns den TV allemal, ja es ist sogar besser als „fernseh luege“. Eine Artenvielfalt von Tieren, Bäumen, blühende Sträucher und Blumen mit auffallend grellen und auch dezenten Farben. Sogar die bei uns zu Weihnachten in Töpfen angebotenen Amarillis und roten Weihnachtssterne gedeihen hier in einer Menge als sei es bereits Unkraut! Eine ca. 7 Zentimeter grosse, schwarze Vogelspinne trippelt vor uns über die Strasse. Als wir stoppen und zurück eilen für eine nähere Begutachtung und einen Fotoschott ist sie bereits im Gehölz verschwunden. Auch hier in der Gegend werden Bäume abgeholzt, der Duft des Holzes liegt in der Luft. Mit grossen und schwerbeladenen LKWs wird das kostbare Gut in die nahegelegenen Sagereien geliefert und gleich verarbeitet.

 

Es scheint wir werden bereits erwartet: kleine ca. 10-15 cm grosse Eulen, deren Nester sich in Bodenhöhlen befinden, hocken auf Duro-Augenhöhe auf Holzpfosten entlang unserer Piste und beäugen uns; oder ist es wohl umgekehrt? Benno ist ganz begeistert, Frau Eule hat ihm sogar zugezwinckert. Aber auch ich bin ganz aus dem Häuschen ob den kleinen Kerlchen.

 

Bald wird es Abend und nicht immer ist es ganz einfach einen Nachtplatz zu finden. Über die App iOverlander (welche auch offline funktioniert) orientieren wir uns, ob sich ein geeigneter Platz in unserer Nähe befindet. Reisende haben sowohl Campingplätze und freie kostenlose Stellplätze in dieser App mit einer kurzen Beschreibung erfasst. Leider ist weit und breit kein bereits erfasster Stellplatz eingetragen. Entlang der Piste ist alles mit Zäunen als privat gekennzeichnet und keiner zu sehen, den wir für eine gastliche Nacht fragen könnten. Den einzigen Platz im Gebüsch, etwas abseits der Strasse und von derer nicht einsehbar ergattern wir uns. Doch die Unentdeckbarkeit währt nicht lange. Der Security vom Kraftwerk auf der anderen Flussseite hat uns unlängst entdeckt. Sehr höflich, fast verlegen und mit etwas Bedauern informiert er uns, wir dürfen aus Sicherheitsgründen in der Nähe der Staumauer nicht bleiben, auch nicht für diese eine Nacht. Mein ganzer eingesetzter Charme und Augenaufschlag hat in dieser Situation nichts geholfen. Oje, nochmals ganze 30 km fahren wir und erreichen bei Dunkelheit den kleineren Ort Pinhao. Dort stellen wir uns kurzerhand beim posto (der Tankstelle) rechts neben die LKWs.

 

Wir sitzen wieder einmal beim Morgenkaffee als es an die Türe klopft.  Der LKW-Fahrer schaut in unsere Stube und wechselt ein paar Worte. Kurze Zeit später erscheint der Motorrad-Werkstattchef von nebenan und ist ganz begeistert von unserem Duro und seiner Technik. Die Angestellten der Städtischen Wasserversorgung bestaunen die Bodenfreiheit und die grossen Reifen und Julio, der Veterinario lädt uns kurzerhand zum Mittagessen bei seiner Familie ein. Wir nehmen die Einladung sehr gerne an, Julio telefoniert kurz mit zu Hause und teilt mit, es kommen heute zwei mehr zum Mittagstisch. Aber es ist erst neun Uhr zehn, was machen wir denn nun hier in diesem Kaff bis um zwölf? Ach, das sei gar kein Problem: begleitet von seiner gut englisch sprechenden Schwester und dem Motorrad-Werkstattchef macht Julio mit uns einen Ausflug in den 25 km entfernten botanischen Garten „Faxinal do Ceu“, den die Kraftwerkfirma erstellt hat. Ihre Geschäfte machen sie kurzerhand zu oder überlassen es den Angestellten Kohle reinzubringen. Einfach unglaublich spontan sind die Menschen hier. Kann man sich dies in der Schweiz auch vorstellen? Wir glauben nicht.

 

Bei unserer Rückkehr erwarten uns diverse feine Speisen, die sich auf einer grossen runden drehbaren Platte präsentieren. Jeder nimmt sich was er mag und sowohl der Bruder von Julio, seine Ehefrau mit kleinem Sohn, die mittlere Schwester, seine Eltern, die Schwester der Mutter und der Onkel sitzen mit uns am Tisch. Es wird lebhaft diskutiert und wir sind mitten drinn in ihrem Familienleben.

 

Ebenso sprachlos sind wir, ob dem Präsent von Viktor Zimerman Moraes in Mangueiriuha, unserem nächsten Übernachtungsplatz. Er ist der Firmenchef einer grossen brasilianischen Traktorenvertriebsfirma der Marke Stara. Das grösste Modell auf dem Platz ist ein 180 PS Gigant mit 54 Vorwärts- und 18 Retourgängen. Er kann selbstverständlich GPS gesteuert über die riesigen Felder, die es in Brasilien en masse gibt, operieren. Auch die passenden Anbaugeräte für den Traktor, ebenfalls von Stara, made in Brasil, sind bei Viktor erhältlich. Wir fragen um Erlaubnis, ob wir auf dem Parkplatz vor dem Firmenareal übernachten dürfen. Er bejaht und steckt uns seine Telefonnummer zu, nur für alle Fälle, sollte in der Nacht was sein. Am nächsten Morgen erkundigt er sich, ob wir eine angenehme und ruhige Nacht bei ihm verbracht haben und überreicht Benno ein Geschenk. Ein von seiner Frau handgestrickter Pullover aus weichem, flauschigem Garn. Was soll man dazu sagen, einfach unglaublich diese Brasilianer. Aus Anstand zieht Benno den Pullover sofort an und präsentiert ihn anschliessend im Büro der ganzen anwesenden Belegschaft. Zum Dank für die Vorführung kriegen wir Mate-Tee und Gebäck angeboten.

 

Mehr als fünf Stauseen passieren wir auf unserer Reise entlang des Iguacu. Die Wasserkraftwerke  produzieren reichlich Strom nicht nur für Brasilien auch für die angrenzenden Länder Paraguay und Argentinien. Arbeitsplätze sind entstanden, jedoch auch ganze Dörfer wurden, wohl ohne die Bewohner zu fragen, umgesiedelt. Die Kraftwerkfirma Copel hat für Mitarbeiter und Umgesiedelte Reiheneinfamilienhäuschen, Schulen, Universitäten, botanische Gärten (wie oben besichtigt) gebaut und die Kranken-, Lebensmittelversorgung, das Polizei- und Securitywesen sichergestellt.

 

Ganz nahe der argentinischen Grenze am Iguacu machen wir einen letzten Stopp Over bevor es an die Wasserfälle nach Foz da Iguacu geht. Ein kleiner Campinglatz, nicht ganz einfach zu finden, liegt idyllisch direkt oberhalb des Flusses. Der Eigentümer, ein Nachfahre der vor 200 Jahren Ausgewanderten spricht immer noch dieses lustige Plattdeutsch und hat dort ein kleines Paradies geschaffen, welches uns heute ganz alleine gehört. Von ihm erfahren wir, dass sich der Wasserstand dieses riesigen Flusses über Nacht bis zu einem Meter senken kann. Vor einem Monat hat es gehagelt und seine Blechdächer sehen aus wie ein Löcher Sieb. Vor zwei Jahren wurde die ganze Campingwiese bei einem Unwetter bis zu seinem 500 Meter entfernten Haus überflutet, Badehäuschen und Infrastruktur weggeschwemmt. Und tatsächlich, am nächsten Tag ist das Wasser so stark abgeflossen, dass die Büsche und Bäume im Fluss wieder gut sichtbar sind und sich sogar kleine Inseln im Fluss bilden. Warum also schon weiterziehen, wenn es uns hier so gut gefällt? Wir entscheiden noch einen Tag zu bleiben.

 

 

Was könnte einen Sonntag, so sonnig warm noch toppen? Wir geniessen die morgendliche Idylle auf unserer Wiesenterrasse, schauen auf den in der Sonne glitzernden Iguacu, hören das entfernte Rufen der weissen Reiher, erledigen Schreibarbeiten und Benno wartet den Duro, als eine Familie mit 7 Kindern und Schwiegertochter in zwei Autos auf unseren Wiesenplatz fahren. Der Jüngste ist fünf, der älteste Sohn ist bereits dreissig Jahre alt und verheiratet.

Die Grillstelle wird zünftig eingeheizt. Bald brutzeln riesig grosse Fleischstücke und Würste über der Glut und verbreiten einen wohlriechenden Duft. Aus einer grossen, schwarzen Musikanlange mit goldenen Boxen ertönt rhythmische, brasilianische Musik im Country Style. Die jüngeren Kinder plantschen im Wasser, die zwei Älteren veranstalten ein Wettschwimmen und die Mutter macht der Schwiegertochter die Haare schön. Paolo, das Familienoberhaupt fordert uns auf rüber zu kommen, das Mittagessen sei parat und es gäbe genug für alle. Die mit einem grossen Messer abgeschnittenen Fleischstücke, aussen knusprig gebraten, gut gewürzt und innen saftig, eingeklemmt in ein Brötchen munden hervorragend. Das Bier fliesst in Strömen, irgendwer holt fünf Mal irgendwo Nachschub.

Schon bald wippen und tippen unsere Füsse im Takt der Musik. Wir klatschen im Takt und schon bald schwingen nicht nur Paolo und Maria ihr Tanzbein. Auch wir beide geben eine Tanzeinlage. Die Stimmung ist unbeschwert, fröhlich und irgendwie einfach unbeschreiblich gut. Wir reden, lachen und die beiden bringen uns brasilianische Tanzschritte bei, die sogar in einem Film dokumentiert sind. Wir geniessen die vorübergehende Familienaufnahme und fühlen uns rundum wohl. Beim Abschied am Abend können wir sagen, dieses Sonntags-Churrasco mit Tanzeilagen war ein absolut genialer und perfekter Sonntagnachmittag. Wieder haben wir nette Menschen kennengelernt und als Freunde in unser Herz geschlossen. Die Grossfamilie fährt nach Hause ins übernächste Dorf und wir sind wieder alleine.

 

 

Den versprochenen Film möchten wir euch natürlich nicht vorenthalten:

à und folgt demnächst in diesem Kino!!

Um Mitternacht erwachen wir. Erst ganz leise und weit weg hören wir Stimmen. Aus unserem Schlafzimmerfenster erblicken wir den Lichtstrahl dreier Taschenlampen. Was die wohl Vorhaben zu so später Stunde im Dunkeln? Drei Gestalten kommen näher, bald befinden sie sich unterhalb unserer Terrasse, sie leuchten in den Fluss hinaus. An unser Ohr dringt das Geräusch eines Motorbootes, es kommt näher, hält und verschwindet nach einer Weile wieder. Die Männer entfernen sich wieder, oder sind es nur noch Zwei? Wurde irgendwelches Gut über die Grenze geschmuggelt? Wir wissen es bis heute nicht! Sind jedoch froh, dass der nächtliche Spuck vorbei ist und nicht uns gegolten hat!

 

Am Nachmittag des 5. Oktobers erreichen wir Foz da Iguacu und quartieren uns für die nächsten neun Tage im Camping/Hostel Poudimar ein. Es ist der Backbacker- und Overlander-Treffpunkt Nr. 1. An der Bar am Pool wieder einmal Reiseerfahrungen austauschen, Tipps erhalten, Reisende mit unterschiedlichen Geschichten kennen lernen und ein reichhaltiges, feines Frühstück (welches im Campingpreis inbegriffen ist) geniessen. Wir lassen unsere Wäsche in der nahe gelegenen Lavanderia waschen und machen Ausflüge gut erreichbar mit dem Bus.

 

Das Highlight ist die Besichtigung der weltbekannten Wasserfälle von Iguacu, den Cataratas auf Portugiesisch. Iguacu, „grosse Wasser“ nannten die Tupi-Guarani-Indianer, die ursprünglich das heutige Grenzgebiet von Brasilien, Argentinien, Paraguay bewohnten, die Wasserfälle. Ein bescheidener Ausdruck für eines der gigantischsten Naturwunder der Welt. Das Gebiet der Wasserfälle teilt sich Brasilien mit Argentinien. Je nach Wasserstand sind 150-270 verschiedene Wasserfälle zu bewundern. Bis zu 6500 Kubikmeter Wasser pro Sekunde fallen mit unglaublichem Getöse in die Tiefe. Mit einer Höhe von bis zu 90 Meter sind die Fälle höher als die Niagarafälle und in punkto Breite müssen selbst die Viktoriafälle in Afrika kapitulieren.

Wir haben uns den sonnigsten Tag für die Erkundung der brasilianischen Seite ausgesucht. Der Besucherstrom hält sich in Grenzen und wir verbringen den ganzen Tag im Nationalpark, welcher 1984/1986 zum UNESCO Weltkulturerbe erklärt wurde. Im Park werden diverse Touren angeboten. Wir begnügen uns mit der Erkundung über die gut angelegten Laufstege und Wanderwege. Durch die überaus zahlreichen vorgängigen Regentage führt der Iguacu enorm viel Wasser, entsprechend spektakulär sind die Fälle und die Vegetation ist grün und üppig.

Ab und zu laufen einem die putzigen, aber frechen Coatis über den Weg. Dem Nasenbären ähnliche Tiere mit langem, gestreiftem Schwanz. Wer sich nicht vorsieht und aufpasst, dem wird schwupp di bupp das Mittagessen oder das Lunchpacket entwendet. Immer wieder bleiben wir stehen, bewundern die flatternden, bunten Schmetterlinge, erfreuen uns an der Vogelwelt und geniessen die atemberaubenden Aussichten. Aber vor allem die nasse Gischt begeistert uns. Gegen Ende unseres Weges führt ein Laufsteg über das Wasser Richtung Garganta do Diabolo, dem Teufelsschlund. Ein wahrer Hexenkessel. Innert Sekunden sind wir pitschnass, fast bis auf die Unterhosen! Herrlich, bei über 30 Grad eine willkommene Erfrischung. Und innert Minuten sind wir auch schon wieder trocken. Wir beobachten die Bootstouren, die mit viel Power ganz nahe an die Wasserfälle heranfahren. Die Krönung der Tour ist durch diesen gigantischen Whirlpool mit viel Spritzwasser und ohrenbetäubendem Lärm hindurchzufahren. Da bleibt wohl gar nichts mehr trocken!

Ein Panoramaaufzug bringt uns auf eine Aussichtsplattform und bietet uns einen letzten herrlichen Überblick. Langsam wird es ruhig im Park, die Sonne verliert ihre wärmende Kraft und wir gehören bald zu den Letzen die den Bus zurück zum Eingang erwischen.

Übrigens, Busfahren in Brasilien sollte man sich nicht vorenthalten und bietet weitere Überraschungen. Ältere Menschen werden respektvoll und zuvorkommend behandelt. So bieten junge Personen ganz selbstverständlich älteren Busreisenden ihren Sitzplatz an. Obwohl wir noch nicht zum „Alten Eisen“ gehören, passiert uns dies ebenfalls ein paar Mal. Ich bin ganz überrascht, als mich ein junges Mädchen an die Schulter tippt und mir ihren Sitzplatz überlässt. Busfahren innerhalb von Städten ist günstig und die Fahrt kostet immer gleich viel, egal ob die Distanz kurz oder lang ist. Selbst das Umsteigen auf einen anderen Bus innerhalb des Busbahnhofes ist im Fahrpreis von 75 Rappen inbegriffen!

 

Ein Tagesausflug in den nahe gelegenen Parque das Aves (Vogelpark) steht ebenfalls auf unserem Programm und interessiert uns als Vogelliebhaber. Wir wandern durch riesig grosse Volieren und haben dadurch die Möglichkeit über 1000 Vögel in natürlicher Umgebung in nächster Nähe zu bewundern. Manchmal frage ich mich jedoch, wer hier wen bewundert. Die Tukane kommen ganz nahe und blicken sehr interessiert auf alles was glitzert. Ein grosser beige-brauner Laufvogel mit spitzem langem Schnabel findet Gefallen an meinen pinkfarbig lackierten Zehennägel. Und ehe ich mich vorsehe, pickt er mich in den Zeh! Aua, das hat weh getan! Einmalig sind die zahlreichen grossen roten und blauen Aras die über unsere Köpfe hinweg fliegen und mit grossem Gekreische ihre Runden drehen. Wir könnten stundenlang dableiben und zusehen. Auch die hübschen kleineren Papageien finden unsere Aufmerksamkeit.

 

Usina Hidreletrica de Itaipu: nach einem länger andauernden Streik ist ab heute eine Besichtigung des Itaipu-Staudammes wieder möglich, jedoch nur das Standard-Besucherprogramm, ohne den technischen inneren Teil wird angeboten. Trotzdem interessiert uns dies und wir fahren mit dem Bus zum 12 km entfernten Staudamm. Unterwegs treffen wir Jens, der ebenfalls im Poudimar logiert und auf dem Weg dorthin ist. Wir entschliessen kurzerhand den Nachmittag und die Besichtigungstour miteinander zu unternehmen. Seine unterhaltsame, lustige und angenehme Art wird uns noch lange in Erinnerung bleiben. Danke für den netten und schönen Nachmittag.

 

Itaipu – singender Fels – nannten die indianischen Ureinwohner die Gegend. Der Fels existiert wohl nicht mehr bzw. wurde unter mehreren Billionen Kubikmeter Wasser begraben. Hier liegt nun ein Stausee von der dreifachen Grösse des Genfer Sees! Mit 14‘000 Megawatt (20 Generatoren) bei vollem Betrieb ist es das leistungsstärkste Kraftwerk seiner Art weltweit. Es liefert Brasilien mehr als einen Viertel seines Stroms und deckt 90% von Paraguays Bedarf. Kritiker beklagten seinerzeit die verheerenden sozialen und ökologischen Folgen des Projektes. Ein umstrittenes Prestigeobjekt der brasilianischen und paraguayischen Regierungen. Auf der einen Seite falle die Relation zwischen Eingriff in die Natur und der enormen Menge an produzierter Energie im Vergleich zu anderen Wasserkraftwerken wesentlich günstiger aus, heisst es. Letztendlich muss sich jeder selbst seine Meinung bilden.

 

Während unserer Abwesenheit sind neue Gäste eingetroffen. Dragoman, eine 10 köpfige Reisegruppe, unterwegs mit einem orangen, geländegängigen LKW. Auch Fabio, ein junger Schweizer ist mit dabei. Im Gespräch stellt sich heraus, dass er aus Nussbaumen AG kommt und Wurzeln im Mettauertal hat. Essig Vreni eine Tochter vom Mettauer Kirchensiegristen ist seine Mutter, ein weibliches Wesen, das Benno in seiner Jugend nicht unbekannt war. Auch mit ihren Brüdern war er öfters im Ausgang unterwegs. 

 

Neben uns haben sich zwei Fahrzeuge, mit deutschem Kennzeichen, eingefunden. Ganz spontan setzen wir uns zu den Dreien und plaudern angeregt bei einem Feierabendbier über dies und das. (für mich, als Nichtbiertrinkerin muss es natürlich was anderes sein)

Auch Lars aus München bleibt noch ein paar Tage im Poudimar. Mehr als zwei Jahre hat er Südamerika mit seiner argentinischen Frau und kleinem Sohn erkundet. Als Bergsteiger und Kletterer kennt er viele schöne und sehenswerte Gegenden und gibt uns gute Ratschläge. Er muss nach Hause, wieder etwas Geld verdienen und stellt deshalb sein Fahrzeug für 2 – 4 Jahre im Poudimar ab. Seit der Fussball-WM in Brasilien benötigen ausländische Fahrzeuge weder eine temporäre Einfuhrbewilligung noch wird das Auto im Pass vermerkt. Somit kann das Auto problemlos für unbestimmte Zeit im Land bleiben. Irgendwann kehrt er zurück, ein hübsches Stück Land in Argentinien hat er bereits gekauft.

 

Bevor wir wie das ältere, brasilianische Paar zu Dauergästen werden und hier noch Wurzeln schlagen, wird es Zeit für uns morgen weiter zu ziehen und über die Grenze nach Argentinien zu reisen. Die Zollformalitäten sind wieder erwarten rasch erledigt. Die Lebensmittelkontrolle wirft nur einen kurzen Blick von aussen in unser casa rodante und schon kurz darauf erreichen wir Porto Iguacu. Wir müssen wohl nicht erwähnen, dass wir natürlich am nächsten Tag auch noch die argentinische Seite der Wasserfälle besichtigen. Hier kommt man viel näher an die Fälle ran und entsprechend oft wird man auch hier kräftig geduscht. Trotzdem gefällt uns die brasilianische Seite besser. Der Gesamteindruck und die Übersicht über alle Wasserfälle ist einfach grandios. Selbst Benno, der vor 30 Jahren mit Werni schon einmal hier war, ist von neuem begeistert. Daher, weil‘s so toll ist  nochmals ein paar Bilder:

 

 

Das südliche Brasilien hat uns in jeder Hinsicht mehr als überrascht und total begeistert: Wir haben uns sicher und rundum wohl gefühlt. Waren erstaunt über Modernität, Wirtschaftswachstum, das mehr als ausreichende Lebensmittelangebot, eine artenreiche Fauna und Flora, abwechslungsreiche Landschaften und farbenfrohe Vogelwelten. Insbesondere jedoch waren es die Menschen: freundlich, spontan und hilfsbereit haben wir sie kennengelernt. Ihre Fröhlichkeit und Neugier war ansteckend. Ihre Einladungen haben wir sehr gerne angenommen. Sie haben uns gezeigt, was Gastfreundschaft bedeutet: Zeit haben füreinander, offen sein für Fremdes und Unbekanntes, Freundschaften schliessen und gemeinsam unvergessliche Momente erleben.

 

Brasilien, wir kommen auf jeden Fall nochmals wieder. Glücklich und zufrieden ziehen wir weiter.

 

Als nächstes Ziel haben wir uns die Esteros de Ibera ausgesucht. Ein Feuchtgebiet vergleichbar mit dem Pantanal in Brasilien. Dieses erreichen wir über den „wurmfortsatzänlichen Zipfel“ des Departements Missiones. Was uns dort wohl erwartet, erzählen wir euch selbstverständlich in unseren nächsten Teil-Berichten über Argentinien.

 

Vorerst wünschen wir euch fürs 2016 nur das Allerbeste, Gesundheit, Glück und Zeit; Für- und Miteinander. Wir grüssen euch, sagen bis bald und auf Wiedersehen.

 

Sonja und Benno vom Team carrotte