Argentinien 14. 10. - 27. 11. 2015

 

Reiseroute: Porto Iguacu – Ruta 12 bis Staudam Yacyreta – Ruta 41 bis Colonia Carlos Pellegrini – Esteros del Ibera – Mercedes – Esquina – entlang Rio Parana – Villa Urquiza - Parana – Santa Fe – Cordoba – Alta Garcia – Villa Belgrano – La Cruz – Merlo – Santa Rosa – La Toma – San Luis – Puente Las Horquetas – San Raphael – Canion de Atuel – Tunuyan - Mendoza – San Jose – Tupungato – Paso Portillo – Uspallata – Puente del Inca – Aconcagua – Uspallata – PN El Loncito – Cerro El Alcazar – Las Flores – San Jose de Jachal – Huaco – neue Ruta 150 in den PN Ischigualasto (Valle de la Luna) – PN Talampaya – San Augustin del Valle Fertil – Vallecito – Villa Media Agua – Mendoza – Ruta de  los Caracoles – Uspallata – Aconcagua – Paso Cristo Redentor - Chile

 

Gefahrene Strecke: 5051 km

Teil 1: Porto Iguacu - Esteros del Ibera

 

Am 15. Oktober 2015 verlassen wir Porto Iguacu und hiermit die wunderbar, spektakulären Wasserfälle, die einfach jeder Reisende mal sehen und vor allem spüren sollte! Noch ein letzter Blick zurück Richtung Dreiländereck (Brasilien, Paraguay, Argentinien) und s‘Team carrotte ist wieder unterwegs zu neuen Abenteuern.

Auf der gut geteerten Ruta National 12 entlang des Parana-Flusses kommen wir zügig voran. Südwärts durch diesen „wurmfortsatzähnlichen Zipfel“ Argentiniens, der sich zwischen Brasilien und Paraguay gemogelt hat. Mehrere Kilometer einfach geradeaus, dann wieder kurvig rauf und runter. Wälder, Bäume und hohe Büsche kontrastieren stark grün mit der ockerfarbenen Erde. Sägewerke bearbeiten die an der Ruta gefällten Bäume. Es riecht nach Holz.

Die grasgrünen bis zu 5 Meter breiten Rasenstreifen links und rechts der Strasse sind so dicht und kurz geschnitten, wie bei einem Golfplatz. Demnächst werden wir auf ein paar Golfer stossen die ihren Abschlag üben! Weit gefehlt; welche Überraschung als wir tatsächlich die „Rasentrimmer“ treffen. Meist als Ein- oder Zweimann-Unternehmen unterwegs, befreien sie kilometerlange Grünflächen entlang den Strassen von Überwucherungen und bringen den Rasen auf Vordermann. Mit einem grossen Traktor mit Anhänger-Schneidevorrichtung oder zu Fuss mit dem Fadenschneider erledigen sie die Rasur prompt und zuverlässig. Das Equipment reicht von unterschiedlich modern bis klapprig alt. Die Männer, wohl im Auftrag des argentinischen Strassendienstes etwas länger entlang den Strassen unterwegs, führen ihre fahrbare Bude gleich auf einem Anhänger mit.

Am späteren Nachmittag erreichen wir San Ignacio, wo sich eine der bedeutendsten historischen Sehenswürdigkeiten Argentiniens befindet. Gut erhaltene und restaurierte rotbraune Sandstein-Ruinen aus der Jesuiten-Zeit, von der UNESCO sogar als Weltkulturerbe anerkannt, können besichtigt werden. Die Geschichte der Jesuiten-Siedlungen (Reduktionen genannt) begann im heute brasilianischen Guaiara. Im Jahre 1609 lebten etwa 2000 Tape, Angehörige eines Guarani-Volkes zusammen mit Jesuiten-Padres, welche den Indianern erfolgreich den christlichen Glauben näher brachten. Sie betrieben Landwirtschaft zur Selbstversorgung und produzierten in einer Art der Kollektivwirtschaft. Immer wieder kam es jedoch dort zu Überfällen durch Sklavenhändler, sodass sie beschlossen die dortigen Reduktionen aufzugeben. Etwa 12‘000 Indios suchten ihren Weg durch dichten unberührten Urwald, flössten den Rio Paranapanema hinab, wanderten nochmals durch dichten Urwald bis sie eine Stelle fanden, wo sie 1632 ihre neue Reduktion „San Ignacio Mini“ gründeten. Nicht nur heute, auch dannzumal nahmen Menschen grosse Strapazen auf sich; auf der Suche nach einem neuen, besseren und vor allem sicheren Leben.

Auch europäische Auswanderer fanden in diesem Departement eine neue Bleibe und betreiben bis heute Landwirtschaft und Viehzucht. Sogar Schweizer Landsleute leben derzeit in Missiones und besitzen riesig-grosse Rinderherden auf Hektar-grossen Weiden.

 

Unser Nachtplatz im Camping Club de Rio ist ebenfalls etwas gross und luxuriös für unsere Verhältnisse. Aber weil noch Vorsaison ist, sind wir praktisch die Einzigen die hier nächtigen und die Ferienanlage geniessen. Mittendrinn im riesig blaugekachelten Swimmingpool eine grosse Palmeninsel, weisse Liegestühle die auf Sonnenanbeter warten und schilfgedeckte Sonnenschirme die oberhalb der sandigen Bucht zum Verweilen einladen. Erfrischend kühl, stellen wir fest als wir unsere Zehen im Rio Parana baden.

Dies hält die jugendlichen Frauen und Männer jedoch nicht davon ab ohne mit der Wimper zu zucken ins kühle Nass zu springen. Mit roten Rettungs-Boyen ausgestattet, absolvieren sie hier den Kurs für Rettungsschwimmer.

 

Die Baumbestände werden mit dem Wechsel des Departement Missiones nach Corriente immer geringer und die vormals hügelige Landschaft wechselt zu flacher Buschlandschaft. Ähnlich wie die Schweiz in Kantone, ist Argentinien in Departemente aufgeteilt, mit dem Unterschied, dass alles etwas grossflächiger ist und die bemessenen Grenzen meistens grosszügig schnurgeradeaus verlaufen! Die Gendarmerie macht Kontrolle. Auch wir werden gestoppt; als sie merken, dass wir Touristen sind, überprüfen sie nur kurz unsere Fahrzeugpapiere, Fahrzeugausweise und vermerken unser Autokennzeichen in Ihrer Liste. Wünschen Gute Fahrt und weiter geht’s J

Am Rio Parana finden wir einen schönen Nachtplatz. Es ist noch hell, sodass wir noch vor Sonnenuntergang einen Strandbummel unternehmen. In der Stille Motorengeräusch: es sind die Sportfischer die mit ihren Motorbooten über das Wasser brausen. Sie sehen glücklich aus, der Fang ist umfangreich und scheint sich gelohnt zu haben. Ganz langsam versinkt die Sonne am Horizont und verbreitet eine melancholische Ruhe. Wir geniessen das stimmungsvolle Farbenspiel. Nur die Natur Südamerikas scheint solche Farben zeichnen zu können: von milchig diffus bis feurig rot. Auch die kleine Eule scheint es zu geniessen und blickt gelassen von hoch oben auf die Szenerie.

 

Unweit unserer geplanten Route befindet sich, westlich von Posadas, das nach Itaipu zweitgrösste Wasserkraftwerk Südamerikas. Das Elektrohydro-Stauwerk Yacyreta, ein Gemeinschaftsunternehmen zwischen Argentinien und Paraguay. In unserem Reiseführer steht, das Projekt sei genauso gigantisch wie die Skandale die es umranken. Selbst der argentinische Ex-Präsident Carlos Menem, auch nicht gerade als Saubermann bekannt, bezeichnete es als „Monument der Korruption“. Begonnen mit dem Bau 1983, vollendet 1992 und eingeweiht 1998, verschlangen die Baukosten mehr als 10 Milliarden US-Dollar, wovon die Weltbank 1 Milliarde investierte. Es wird angenommen, dass viele Dollars davon in den Taschen korrupter Beamter versickerten und Gerüchte kursieren, die argentinischen Militärs hätten davon Waffen für den Falkland-Krieg gekauft. Na ja, wer soll so etwas beweisen, wir wissen es nicht und jeder soll sich selber darüber eine Meinung bilden. Auf jeden Fall hat Yacyreta unser Interesse geweckt und wir melden uns für die morgige Besichtigungstour an, die übrigens gratis ist!

Wir sind nicht die einzig Interessierten und so fährt uns ein grosser Reisebus vom Besucherzentrum in Ituzaingo zum Staudamm, zudem auch eine 270 Meter lange Schiffsschleuse mit Zugbrücke und Passkontrolle gehört. Der Stausee ist wahrlich gigantisch: eine Fläche von 1600 km2 breitet sich zwischen Posadas und Encarnacion aus; mehr als dreimal so gross wie der Bodensee! Noch operiert die Talsperre 7 Meter unter dem vorgesehenen Wasserstand von 83 Meter (ein Zugeständnis an die Protestbewegung der Umweltschützer und Anwohner). Damit können die 20 Turbinen die installierte Kapazität von 3200 Megawatt zwar nicht voll ausschöpfen, aber es wird dennoch mehr Strom produziert als in Missiones verbraucht wird. Der Überschuss an Strom wird über hunderte von Kilometer zu anderen urbanen Zentren Argentiniens und Paraguay weitergeleitet. Zu erwähnen sei noch der informative Film, welcher auch die Vorzüge der sozialen, gesundheitlichen und schulischen Aspekte hervorhob, den ich zwecks meinen spärlichen spanisch Kenntnissen jedoch nicht in aller Deutlichkeit verstanden habe!!

 

So wollen wir uns nicht mehr mit dem vielen Zahlensalat und den gigantischen Daten befassen sondern uns wieder Erfreulicherem zuwenden:

Eine Empfehlung und sozusagen ein Geheimtipp von Lars aus München (wir haben ihn im Paudimar, in Foz da Iguazu kennen gelernt) ist der Parque Esteros del Ibera. Eine 5000 km2 grosse Wasser- und Sumpflandschaft, gleichzeitig einer der grössten Süsswasserspeicher Südamerikas, vorwiegend aus  Regenwasser gespiesen. Aber vor allem ein riesiges Feuchtgebiet mit einer artenreichen Tier- und Pflanzenwelt, schwimmende, blühende Inseln und stellenweise unberührter Wildnis: sozusagen Argentiniens Pantanal. Das ist genau nach unserem Geschmack, da wollen wir hin! Colonia Carlos Pellegrini, ein winzig kleiner Ort direkt an der Lagune gelegen ist der beste Ausgangspukt für Touren in die Sümpfe. Erreichbar sowohl über die Nord- wie auch über die Südroute. Die für uns kürzere Nordroute könnte sich bei vorgängigen starken Regenfällen in eine schlammige Seifenpiste verwandeln. Wir haben Glück und die caramelfarbene Erdpiste ist knochentrocken und teilweise pickelhart. Nur die tiefen Furchen zeugen noch vom vorangegangen Regen. Also erstmal den Reifendruck etwas reduzieren, sodass unser Duro weich und sanft wie eine Sänfte über die Dellen schwebt, eine kilometerlange Staubfahne hinter sich her ziehend!!

Unterwegs begegnen uns Gauchos, ihre Rinder vor sich hin treibend. In weiter Entfernung erblicken wir weitere Rinderherden und kleinere Estancias in saftig grüner Umgebung. Ansonsten scheinen wir zwei die Einzigen menschlichen Lebewesen auf weiter Flur zu sein! Wir wundern uns, dass in einem Nationalpark noch Landwirtschaft und Viehzucht betrieben wird. Erst viel, viel später erfahren wir, dass die Estancias ihre Berechtigung haben und dazu beitragen, ein Gleichgewicht zwischen Versumpfung und Kulturland herzustellen.

 

Am späten Nachmittag erreichen wir die 800 Seelen-Siedlung Pellegrini; ein kleines Wildwest-Dörfchen ohne Bank und ohne Tankstelle. Nur ein paar wenige Posadas bieten Naturliebhabern Verpflegung und Unterkunft. Wir Selbstversorger quartieren uns im hervorragend gepflegten, kleinen Camping municipal direkt am Ufer der Lagune Ibera ein. Zu jedem Standplatz gehört eine private schilfgedeckte Pergola mit Grillstelle, Tisch und Bänklein. Die Sonne versinkt wiederum in einem fulminanten Farbenspiel, glutrot verfärbt sich der Horizont. Langsam wird es dunkel und unbekannte Geräusche erreichen unsere Ohren, ein betörend süsslicher Duft schwebt durch die Luft. Bei diesen warm feuchten Temperaturen mit geöffneten Fenster und Dachluke „pfuusen wir herrlich“ und fühlen uns dank Mückengitter angenehm beschützt.

 

Am nächsten Morgen haben wir uns mit Paolo für eine Erkundungstour verabredet. Er bringt uns und noch 6 weitere Naturliebhaber mit seinem Aussenborder ganz nah an die Schilf- und Sumpflandschaften ran. Den Motor setzt er nur im freien Wasser ein, sonst stösst er sein Boot wie ein Gondoliere behutsam und gewannt durch die Sumpflandschaft. Wie Diamanten glitzern die Wasserperlen auf den schwimmenden grünen Inseln. In und auf den blau, violett und weiss blühenden Pflanzenteppichen entdecken wir Yacarés, die bis zu 2 Meter 50 grossen Kaimane. Reglos liegen sie in der Sonne, listig und verschmitzt sehen sie aus und warten auf Beute. Auf einem kleinen Schilfgürtel entdecken wir eine ganze Jungmannschaft, erst wenige Wochen alt.

Ganz nah vor uns schreitet ein Reiher durch den grünen Pflanzenteppich auf der Suche nach etwas Essbarem. Noch hat er nicht realisiert, dass im Versteck bereits ein Kaiman lauert und ihn verspeisen möchte! Blitzschnell prescht dieser vor und schnappt zu; wir halten den Atem an und …….. in allerletzter Sekunde fliegt der Reiher auf und kann sich in Sicherheit bringen. Nochmals Glück gehabt!!

Gut getarnt und etwas versteckt erspähen wir sogar eine Anaconda amarillo. Zusammengerollt, wind- und wassergeschützt liegt sie anfänglich auf einem trockenen Schilfgürtel und geniesst die wärmende Sonne. Wir haben sie wohl geweckt, denn langsam löst sich der „Knäuel auf“ und wir merken wie gross die Schlange ist!

Besonders angetan sich wir von den Carpinchos, eine Art Wasserschwein und Nagetier. Sie strahlen eine Ruhe und Gelassenheit aus, als könnte sie nichts in der Welt erschüttern. Umsichtig beschützen und umsorgen sie ihre Kleinen. Sie sind sowohl an Land wie auch im ufernahen Wasser anzutreffen. Die Vogelwelt ist hier besonders artenreich und farbenprächtig; es zwitschert und piepst und Paolo scheint sie alle mit Namen zu kennen. Wir könnten noch stundenlang durch diese prächtige Natur gondeln. Zufrieden und gut gelaunt ob den tollen Eindrücken kehren wir ins Camp zurück.

 

Den Nachmittag verbringen wir im Schatten unserer schilfgedeckten Pergola und entdecken zu unserer Freude im Gebälk einen kleinen Kolibri der mit dem Nestbau beschäftigt ist. Immer wieder kommt er angesurrt mit kleinen dünnen, dürren Ästlein, Blättlein, Federn und sonstig Filigranem, welches er gekonnt zu einem Fingerhut grossen Nest verbaut. Ab und zu schleicht eine grosse, züngelnde Echse über den Platz, schaut ob allenfalls unter unserem Tisch ein kleiner Happen liegen geblieben ist. Dies ist dann der Moment wo ich die Füsse etwas weiter nach oben halte!! In der Baumkrone sitzt ein Caracara (ein Vogel so gross wie ein Adler) und Schwalben fliegen wendig ein paar Runden bevor sie sich auf einem dürren Baum kurz ausruhen.   

Auf angelegtem Pfaden erkunden wir die nähere Umgebung zu Fuss auf eigene Faust bei Tag und geführt bei Nacht. Dabei entdecken wir im dichten Blätterwerk auch ein kleines Rehlein und überraschen einen Fuchs. Wiederum liegen Kaimane am Ufer, reglos und wie ausgestopft sehen sie aus. Aber der Rancher warnt uns vorsichtshalber nicht zu nahe ran zu gehen! Da ist die Nähe der Carpinchos weniger gefährlich und friedlich. Kaum wird es dunkle Nacht, kriechen Sie aus den Sümpfen der Unterwelt. Kröten so gross wie Bennos Hände. Überall sind sie anzutreffen und kaum wird es wieder Tag sind sie verschwunden und der ganze Spuck scheint vorbei zu sein!

 

Nach drei Tagen verlassen wir dieses wunderbare Naturparadies über die ohrenbetäubend lärmveranstaltende Metallbücke. Nochmals laufen uns Carpinchos mit ihren Kleinen über den Weg, als wollten sie sagen: auf Wiedersehen, kommt doch nochmals wieder!

Unsere Route führt uns südwestwärts und was es darüber zu erzählen gibt, findet ihr vorerst in der Fotogalerie …….